Inklusion macht das Leben bunt
Literaturunterricht – eine staubtrockene Angelegenheit? Nicht so für die Klasse 7b. Zunächst lasen die Schülerinnen und Schüler das Buch „Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens“ von Elisabeth Zöllner. Darin geht es um den kleinen Jungen Anton, dessen Lehrer ihn immer mehr auf dem Kieker hat. Er gibt Anton Strafaufgaben, lacht ihn aus und schlägt ihn. Einer wie Anton hat in der Schule nämlich nichts zu suchen. Eigentlich hat Anton nicht einmal das Recht zu leben, denn Anton ist behindert und es ist das Jahr 1941.
Die Schüler der 7b waren erschüttert, als sie im Laufe der Lektüre erfahren mussten, wie die Deutschen im Nationalsozialismus mit behinderten Menschen umgegangen sind. Sie waren entsetzt, nachdem klar wurde, dass innerhalb des Euthanasieprogramms viele Menschen mit Behinderung ermordet wurden. Zunächst arbeiteten die Schüler den schweren Stoff anhand von Lesekisten und Plakaten auf. Und dann kamen Fragen. „Wie entsetzt müssen Eltern, die ein Kind mit Behinderung bekommen haben, heute über derart abartige Gedanken sein? Wie kann man das Leben von behinderten Menschen nur als unwert bezeichnen? “ Fragen, die auch ich als Deutschlehrerin und Mutter von zwei eigenen Kindern nicht beantworten konnte.
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So nahmen wir Verbindung auf zu Frau Purschke, einer Mitarbeiterin des Arbeitskreises „Elternrunde Down Syndrom“ und selbst Mutter eines Sohnes mit Down Syndrom. Sie kam uns zusammen mit Frau Weinmann besuchen, die ihre 4jährige Tochter Theresa mitbrachte, die ebenfalls mit dem Down Syndrom zur Welt kam. Die beiden Mütter beantworteten wirklich alle Fragen, die den Schülern auf den Nägeln brannten. Die kleine Theresa, ein süßer blonder Wirbelwind, eroberte sofort die Herzen der Klasse und auch das unserer Schulleiterin Frau Müller im Sturm. Frau Purschke und Frau Wiedmann erklärten uns, was Trisomie 21 überhaupt ist, welche Auswirkungen diese Chromosomenveränderung bei der kleinen Theresa hat und wie die Familie damit lebt. Theresa ist der Sonnenschein der Familie Weinmann und macht beinahe alles im Familienalltag so mit, wie es andere Familien auch kennen. Sie tobt mit ihrer großen Schwester auf dem Spielplatz, geht in einen ganz normalen Kindergarten und lernt gerade das Skifahren.
Frau Purschke hatte viele Fotos ihres Sohnes Julius dabei und konnte uns so einen Einblick in ihr Familienleben geben. Dennoch stellten beide Mamas klar, dass die Diagnose zunächst ein Schock war. Doch Frau Weinmann konnte nach der Diagnose zum Glück Kontakt zu der Elternrunde Down Syndrom aufnehmen und stellte so fest, dass ihre Welt durch diese Diagnose nicht zusammenbricht. Heute geben diese beiden Mütter ihre Erfahrungen an andere Familien und auch an Schüler weiter. Inklusion ist ein mühsamer Weg, so sieht das auch Frau Purschke und sie hofft, dass allen Menschen mit Down Syndrom und auch anderen Behinderungen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten frei entfalten zu können und dadurch sich und die Gesellschaft zu bereichern. Den Schülerinnen und Schüler der 7b wurde mit diesem Besuch schnell klar: Wir sind alle wertvoll, egal was wir können, egal wie wir aussehen – jeder Mensch ist wichtig und liebenswert, so wie er ist.
Zum Abschluss des Besuches - und die 7b wollte die kleine Theresa gar nicht mehr hergeben - durften die Klassensprecher noch einen Umschlag mit einer Spende für die Elternrunde Down Syndrom überreichen. Die Spenden wurden vorher durch einen Kuchenverkauf in den Pausen gesammelt.
Michaela Reimann