Überlebender des Holocausts teilt bewegende Geschichte mit den Schülern – Herr Grube zu Gast an der Realschule Oberroning

In einer tief bewegenden Begegnung mit der Geschichte empfing die Realschule Oberroning den Holocaustüberlebenden Herrn Grube, der als Zeitzeuge aus seiner Kindheit und Jugend berichtete. Geboren und aufgewachsen in München, überlebte Herr Grube die Schrecken der Nazizeit.

Mit seinen 91 Jahren erinnert sich Herr Grube deutlich an die Zeit vor dem Krieg in München, einer Stadt, die einst eine große Gemeinschaft jüdischer Familien beherbergte. Er erzählte von seiner Familie, von seinem früheren Leben in der bayerischen Metropole, bis die nationalsozialistische Verfolgung seine Kindheit abrupt beendete. Als die Nazis an die Macht kamen, änderte sich sein Leben dramatisch. Die Familie Grube, die in der Nähe der jüdischen Synagoge wohnte, musste ihre Wohnung 1938 aufgeben. Da die Familie Grube keine neue Unterkunft fand, schickten die Eltern Herrn Grube und seine Geschwister in ein jüdisches Kinderheim, da sie nicht mehr für ihre Kinder sorgen konnten. Ernst Grube empfand das Kinderheim als eine „Insel“ während der NS-Zeit. Hier lernte er Gemeinsamkeit, Zusammenleben und auch das religiöse, jüdische Leben kennen. Zeitgleich wurde aber den jüdischen Kindern verboten, in eine deutsche Schule zu gehen, da es den Deutschen nicht zuzumuten war, mit jüdischen Kindern in der Klasse oder in einer Bank zu sitzen. Nach der Pogromnacht sind ca. 6000 von 11 000 Juden geflohen und emigriert. Sie haben rechtzeitig die von den Nazis ausgehende Gefahr erkannt. Ab diesem Zeitpunkt waren Beschimpfungen und Bespuckungen auf der Straße Alltag. Auch Besitztümer der Juden wurden ihnen genommen und sie mussten diese zu einem günstigen Preis verkaufen. Dieser Verkauf war meist mit einem Arbeitsplatzverlust verbunden, so dass diese Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt werden konnten. Auch Ernst Grubes Mutter wurde zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verpflichtet. Das Tragen des Judensterns kam im Oktober 1941 dazu. Im November 1941 und im Frühling 1942 kamen die Deportationen von fast Zweitausend Juden in den Osten. Darunter waren ca. 40 Kinder aus dem Kinderheim. Erst später erfuhr er, dass keines dieser Kinder überlebt hat. Die übrigen Kinder kamen wieder zu ihren Eltern, auch Ernst Grube. Sie wohnten ab jetzt in dem Barackenlager in Milbertshofen. Ab 1942 wurde die Ausgrenzung und Ablehnung in der Gesellschaft immer stärker. Die jüdische Bevölkerung durfte z.B. nicht bei Fliegeralarm in öffentliche Bunker. 1942 wurden auch alle drei Tanten und deren Familie deportiert. Die Sorge und Angst der Mutter um ihre Schwestern und deren Männer sowie Kinder übertrug sich auch auf Ernst und seine Geschwister. Es stellte sich die Frage: Wird der Schutz des Vaters als Nichtjude ausreichen, um die Familie vor der Deportation zu schützen? Leider nein. Im Februar 1945 wurde die Mutter Clementine und ihre drei Kinder, darunter Ernst, ins Ghetto und KZ Theresienstadt deportiert. Zu dieser Zeit waren viele Lager im Osten schon von der Roten Armee befreit. Auch Theresienstadt wurde zum Glück am 8.5.1945 befreit. Auf einmal war man frei, aber man konnte noch nicht heim. Es gab Probleme der Unterernährung, Krankheiten, traumatisierten Menschen und Epidemien. Theresienstadt befand sich noch sechs Wochen in Quarantäne, da eine Typhus-Epidemie herrschte. Am 20.6.1945 war die ganze Familie endlich wieder in München und wurde vom Vater empfangen. Nun begann eine neue Zeit.

Nach und nach kamen Schüler nach vorne, um ihre Fragen zu stellen. „Verspüren Sie Hass gegenüber Holocaust-Leugnern?“ oder „Wie haben Sie es geschafft, nicht nachtragend oder hasserfüllt zu sein?“, wollten zum Beispiel Schüler wissen. Herr Grube antwortete umfangreich auf die Fragen. Er verspürt keinen Hass, manchmal Wut und Unverständnis. Er empfindet Hass als negativ und er möchte kein Mensch sein, der Hass ausübt. Eine weitere Frage lautete: „Wie schwer ist es für Sie, Ihre Vergangenheit zu erzählen?“ Es ist nicht sehr einfach, da er eine Großfamilie mit Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen hatte, die alle den Holocaust nicht überlebt haben. Er sieht es als seine Aufgabe, sein authentisches Wissen weiterzugeben und er würdigt damit auch seine verstorbenen Verwandten. Dass Grubes Familie überlebt hat, lag daran, dass sich sein Vater trotz Druck der Gestapo nicht von seiner Frau scheiden ließ. „Was können Jugendliche heutzutage tun, um rechtspolitische Sichtweisen zu verringern?“ Herr Grube wird hier eindringlich und deutlich. Werdet kritisch, setzt euer eigenes Wissen und euer Gefühl ein. Schaltet den Kopf ein und glaubt nicht alles.

Die Schüler der Realschule hörten bis zum Schluss gebannt zu. Herr Grube betonte immer wieder, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen, um eine Wiederholung zu verhindern. Er ermutigte die jungen Zuhörer, sich für eine Welt einzusetzen, in der Respekt, Toleranz, Mitgefühl und Menschlichkeit vorherrschen. Der Besuch von Herrn Grube war nicht nur eine Lektion in Geschichte, sondern auch ein eindringlicher Appell an die junge Generation, die Werte der Menschlichkeit hochzuhalten und sich gegen Ungerechtigkeit sowie Hass zu stellen. Die Veranstaltung hinterließ einen bleibenden Eindruck bei den Schülern der 9. und 10. Klassen sowie den Lehrkräften der Realschule und unterstrich die Bedeutung des persönlichen Zeugnisses in der Erinnerungskultur.

Frau Müller sah diesen Besuch als ein großes Geschenk und bedankte sich herzlich bei Herrn Grube sowie Frau Reimann, die dies ermöglicht hatte.

Maria Reichl